Nicht jeder Hund lässt sich gerne von anderen Menschen anfassen. Vor allem beim Tierarzt oder bei der Physiotherapie kann das zu einem echten Problem werden. Aber auch im Alltag beim Zecken entfernen, der Krallenpflege oder dem Bürsten ist es bei manchen Hunden schwierig, eine positive Verknüpfung herzustellen. In diesem Fall ist es hilfreich, ein Kooperationssignal und das Medical Training aufzubauen. In diesem Beitrag geben wir Dir Tipps, wie Du diesen Weg mit Deinem Hund gehen kannst.
Was ist Medical Training?
Inhaltsverzeichnis
Medical Training heißt übersetzt so viel wie „medizinisches Training“. Hierbei lernt Dein Hund, zu kooperieren ohne dabei die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Du übst mit ihm also bestimmte Handlungen und Positionen, die er freiwillig durchführt und die dann zum Beispiel beim Tierarzt, bei der Physiotherapie oder eben in Deinem Alltag mit Hund zum Beispiel bei der Zahnpflege, dem Krallenschneiden oder aber auch der Fellpflege und routinemäßigen Untersuchungen nach zum Beispiel Zecken genutzt eingesetzt werden können. Beim Medical Training kannst Du ein Kooperationssignal aufbauen. Durch dieses Signal zeigt Dir Dein Hund an, dass er nun bereit ist, mit Dir zu arbeiten. Eine faire Methode auf Augenhöhe, findest Du nicht auch?
Ursprünglich stammt das Medical Training aus dem Zoobereich. Damit nicht jedes Tier für einfache Untersuchungen narkotisiert werden muss, konnten Tierpfleger mit ihnen bestimmte Positionen einüben. Das schöne hierbei ist, dass diese Tiere (oder eben dann Dein Hund) nicht festgehalten und gezwungen werden. So vermeidest Du Stress und Dein Tier kann sich besser entspannen. Das gesamte Training basiert also auf Vertrauen und Kooperationsbereitschaft Deines Hundes, welches er Dir zusätzlich durch ein Kooperationssignal signalisieren kann. Außerdem ist es eine tolle und sinnvolle Möglichkeit, Deinen Hund zu beschäftigen.
Gerade wenn Du einen Hund hast, der reaktiv ist oder sehr unruhig und zappelig ist, bringen die Übungen viele Vorteile: Dein Hund lernt, still zu halten und ruhig zu bleiben. Aber Achtung: Das geht natürlich nicht auf Knopfdruck. Somit solltest Du auch Du Geduld mitbringen, denn sowas geht natürlich nicht von heute auf morgen.
Außerdem kannst Du das Erlernte auch bei Tierarztbesuchen anwenden. So ist der Tierarztbesuch vielleicht zukünftig auch kein Problem mehr für Euch?
Mit welchen Hunden kann ich das Training machen?
Das Training ist für jeden Hund geeignet. Wenn Du die Möglichkeit hast, kannst Du sogar schon mit einem Welpen beginnen. Natürlich können auch erwachsene Hunde ein Kooperationssignal und Medical Training lernen. Es macht keinen Unterschied, ob Dein Hund groß oder klein ist. Mit etwas Übung und ein paar Tipps kann es mit jedem Vierbeiner klappen.
Wenn Du neben Deinem Hund auch Katzen, Pferde oder andere Tiere hast: Auch mit anderen Tierarten funktioniert das Medical Training. Du musst es dann nur auf das jeweilige Tier anpassen und manchmal etwas umdenken.
Warum sollte ich ein Kooperationssignal mit meinem Hund aufbauen?
Mit einem Kooperationssignal kann Dein Hund Dir anzeigen, ob er bereit für eine bestimmte Handlung ist bzw. wann ihm vielleicht auch etwas zu viel wird. Jetzt fragst Du Dich wahrscheinlich, wie Dir Dein Hund das deutlich machen kann. Das werde ich Dir in diesem Beitrag natürlich erklären.
Durch ein solches Signal bietest Du Deinem Hund auf jeden Fall die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was für ihn in Ordnung ist und was zu viel wird. Dein Hund behält hierdurch die Kontrolle in der Situation. Und das ist der Punkt, warum Dein Hund Dir (oder zum Beispiel einem Tierarzt) mehr vertrauen wird.
Gerade Kontrollverlust führt häufig dazu, dass Dein Hund sich nicht behandeln lassen will und im schlimmsten Fall vor lauter Angst sogar um sich beißt. Das passiert, wenn Dein Hund keinen anderen Lösungsweg mehr weiß. Bietest Du ihm eine Alternative, so wird Dein Hund dies gerne nutzen (sofern Du es vorher mit ihm trainiert hast).
Gibst Du Deinem Hund ein Mitbestimmungsrecht, wird er auch offener sein, mit Dir oder anderen zusammenzuarbeiten – eben zu kooperieren.
Was sollte ich beim Kooperationstraining mit Hund beachten?
Bevor ich Dir nun zeige, wie Du das Kooperationssignal aufbauen kannst, möchte ich Dir vorab noch ein paar wichtige Tipps mit auf den Weg geben. Wichtig hierbei ist: Gehe immer kleine Schritte. So vermeidest Du von Anfang an „Fehler“ und schlechte Verknüpfungen. Es geht hierbei also nicht um zwei Trainingseinheiten, sondern um ein Training, was Du über Wochen ansetzen (und auch immer wieder auffrischen) solltest.
Die Kooperationsbereitschaft Deines Hundes wird sich erst nach und nach entwickeln. Die Geschwindigkeit hierbei ist von Hund zu Hund unterschiedlich. Sei bitte nicht traurig, wenn Dein Hund etwas länger braucht. Das ist vollkommen in Ordnung. Der Weg ist das Ziel.
Wo trainiere ich das Kooperationssignal?
Wenn Du mit dem Training anfängst, solltest Du zuerst in einer reizarmen Umgebung trainieren. Am besten machst Du die ersten Schritte Zuhause. Erst wenn Dein Hund verstanden hat, wie das Kooperationssignal funktioniert, kannst Du beginnen, auch an anderen Orten zu trainieren. Du kannst zum Beispiel auf Eurem Spaziergang einen Stopp einlegen. Aber auch bei Freunden zu Hause oder auf dem Hundeplatz kannst Du das Training implementieren.
Wenn Dein Hund große Angst beim Tierarzt hat, kannst Du Dich bei Deiner Praxis erkundigen, ob Du die Möglichkeit hast, es dort auch mal im Wartezimmer oder im Behandlungszimmer zu üben (bitte aber erst, wenn Du schon sehr weit im Training bist, denn für die meisten Hunde ist dieser Ort der Endgegner).
An neuen Orten solltest Du es Deinem Hund zu Anfang immer möglichst leicht machen. So sammelt er viele Erfolgsmomente und wird in seinem Verhalten bestärkt.
Wer darf das Kooperationssignal mit meinem Hund trainieren?
Zu Beginn solltest Du das Training selbst ausführen. Dein Hund vertraut Dir und kann sich so leichter auf die Übungen einlassen. Wenn Dein Hund gelernt hat, wie er Dir seine Kooperationsbereitschaft anzeigen kann und dieses Signal zuverlässig auch an anderen Orten zeigt, kannst Du auch andere Menschen bitten, das Training mit ihm zu machen.
Dann solltest Du Menschen fragen, die Dein Hund bereits kennt. Das können neben der Familie natürlich auch Freunde sein. Gib ihnen bitte eine genaue Einweisung. Hierdurch lernt Dein Hund, dass er auch bei anderen Personen das Kooperationssignal anzeigen kann. Das ist vor allem dann wichtig, wenn Du dieses Training auch zum Besuch beim Tierarzt, in einer Tierklinik, beim Hundefrisör oder bei der Physiotherapie einsetzen möchtest.
Erst, wenn Dein Hund auch bei ihm bekannten Personen sicher ist, kannst Du das Training auch auf „Fremde“ übertragen. Hilfreich ist es, wenn es nicht direkt im „Ernstfall“ eingesetzt wird. Mache zum Beispiel beim Tierarzt Deines Vertrauens einen Kontrolltermin aus, bei dem nichts Negatives passiert (also keine Spritze etc.).
Wie baue ich ein Kooperationssignal mit meinem Hund auf?
Wie Du Dir sicherlich vorstellen kannst, muss Dein Hund erst lernen, wie ein Kooperationssignal funktioniert. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern bedarf ein Training, welches Du in kleinen Schritten trainieren. Aber wie fange ich an? Hierfür kannst Du Dir das Targettraining zunutze machen.
Bedenke: Je kleinschrittiger Du das Training machst, desto mehr Erfolge hat Dein Hund und desto wahrscheinlicher ist es, dass das Kooperationssignal gut angenommen wird.
Kinntarget trainieren
Du fängst an, in dem Du mit Deinem Hund ein sogenanntes Kinntarget trainierst. Hierbei lernt Dein Hund, seinen Kopf auf Deine Hand oder einen Gegenstand abzulegen. Ob Du Deinem Hund erst beibringst, ihn auf Deine Hand zu legen und dann auf einen Gegenstand (Erklärung im weiteren Textverlauf) oder ob Du direkt den Gegenstand nimmst, bleibt Dir überlassen.
Gehen wir mal davon aus, Du nimmst zuerst die Hand: Halte eine Hand ausgestreckt (Handfläche nach oben) vor Deinen Hund. Entweder Du schaust, ob Dein Hund direkt selbst das gewünschte Verhalten anbietest (bitte natürlich sofort belohnen) oder Du lockst Deinen Hund mit einem Leckerli über die Hand und bestätigst ihn dort.
Wenn Du merkst, dass Dein Hund das Grundprinzip verstanden hast, dann halte die Hand auch mal von Dir weg (mal etwas weiter oben, weiter unten, vielleicht auch mal auf dem Boden, etc.). Hierdurch kannst Du noch mal überprüfen, ob es Dein Hund verstanden hat.
Belohne Deinen Hund möglichst immer auf Deiner Hand, also nicht, wenn er seinen Kopf auf Deine Hand gelegt hat und ihn schon wieder hoch nimmt, weil er gucken möchte, was Deine andere Hand (Leckerlihand) macht. Das bedarf gerade zu Anfang ein gutes Timing.
Sollte ich ein Kommando aufbauen?
Da es bei einem Kooperationssignal – wie der Name bereits sagt – um Kooperation geht, empfehle ich Dir, in diesem Fall kein Kommando zu verknüpfen. Dein Hund soll nicht auf ein Wort hin seinen Kopf aufs Target legen, sondern dies aus freien Stücken machen.
Von der Hand auf einen Gegenstand übertragen
Hat Dein Hund gelernt, seinen Kopf auf Deine flache Hand zu legen, kannst Du das Verhalten nun auf einen anderen Gegenstand übertragen. Das macht deswegen Sinn, weil Du dann bei Untersuchungen beide Hände frei hast und Deine Hand nicht durchgehend ausgestreckt halten musst. Rein theoretisch kannst Du das Training auch direkt mit einem Gegenstand starten. Gehe dann genauso vor wie oben unter dem Kapitel „Kinntarget trainieren“ beschrieben ist.
Am besten funktioniert es, wenn Du zum Beispiel ein Tuch, einen Waschlappen oder etwas vergleichbares nimmst. Lege Dir den Gegenstand in die Hand und trainiere genauso wie Du das Kinntarget trainiert hast. So wird Dein Hund auch den Gegenstand mit diesem Training verbinden.
Du belohnst also Deinen Hund jedes Mal, wenn er seinen Kopf auf den Gegenstand in Deiner Hand. Nun kannst Du Deine Hand mit dem Gegenstand auch zum Beispiel auf einen Stuhl legen. Zum einen kannst Du damit überprüfen, ob Dein Hund das Prinzip verstanden hat. Zum anderen baust Du aber auch so nach und nach die Hand darunter als Hilfe ab.
Wenn auch das gut klappt, nimmst Du die Hand darunter weg. Legt Dein Hund seinen Kopf wieder darauf, belohne ihn. So kann die Verknüpfung zum Gegenstand gestärkt werden. Achte bitte darauf, dass Du es in verschiedenen Positionen übst (stehend, liegend, sitzend). Wenn Dein Hund nicht sofort versteht, kannst Du ihm das Target auch noch mal zeigen.
Kooperationssignal: Du darfst anfangen
Dein Hund zeigt Dir an, dass Du anfangen darfst, indem er seinen Kopf auf das Target legt. Belohne Deinen Hund dafür. Wenn Du ein Markerwort oder einen Clicker benutzt, kannst Du das natürlich auch in diesem Training verwenden. Beachte aber bitte: Ein Clicker bedeutet, Du hast nicht beide Hände frei. Auch wenn ich ein Clicker-Liebhaber bin, benutze ich beim Medical Training lieber ein Markerwort. Bei uns lautet es „Yipp!“
So signalisiert Dir Dein Hund, dass Du aufhören sollst
Hebt Dein Hund seinen Kopf vom Kinntarget, hörst Du bitte sofort auf. Das ist das Zeichen für „Ich möchte nicht mehr“. Gleiches gilt natürlich auch, wenn Dein Hund den Kopf gar nicht erst aufs Target legt.
Legt Dein Hund seinen Kopf nicht ab, kann es entweder sein, dass er das Target an sich noch nicht verstanden hat. Oder er möchte nicht kooperieren. Versuche es am nächsten Tag erneut. Sollte es dann immer noch nicht klappen, gehe Trainingsschritte zurück und starte von vorne.
Verbinde das Kooperationssignal langsam mit bestimmten Berührungen
Legt Dein Hund seinen Kopf zuverlässig auf das Target, kannst Du einen Schritt weitergehen. Streiche mit Deiner Hand zuerst durch die Luft. Dein Hund soll hierbei das Gefühl bekommen, dass etwas passiert, was ihn aber nicht beeinträchtigt. Nach und nach näherst Du Dich mit Deiner Hand dem Körper Deines Hundes. Dann streichst Du Deinen Hund ab.
Achte dabei darauf, dass Dein Hund auf dem Kinntarget liegen lässt. Hebt er seinen Kopf, musst Du sofort aufhören. Denn das bedeutet: Ich möchte das nicht. Und das ist genau der Punkt, den Dein Hund lernen soll: Zeigt er, dass er es gerade nicht möchtet, ist sofort Schluss. Bleibt sein Kopf liegen, kannst Du ihn länger streicheln, auch mal mit der Hand an den Beinen lang fahren. Du kannst in seine Ohren oder Augen schauen, seine Lefzen anheben oder auch mal so tun, als wenn er für eine Spritze vorbereitet wird (einfach eine Hautfalte an der entsprechenden Stelle nehmen, später auch mal mit dem Finger drauf tippen und dann auch einen Stift oder ähnliches zur Hilfe nehmen). Du kannst auch mal eine Pfote hoch nehmen oder andere Übungen probieren.
Fange am besten mit Dingen an, die Deinem Hund leicht fallen. Wenn er sich an einer Sache vor Trainingsbeginn ganz besonders gestört hat, solltest Du das für später aufheben. Und führe die Übungen anfangs nur ganz kurz aus und steigere Dich langsam.
Auch solltest Du immer mal wieder eine Sequenz einbauen, bei der Dein Hund seinen Kopf wieder nur aufs Target legt, ohne dass etwas passiert. So bleibt das Kooperationssignal dauerhaft positiv verknüpft.
Wobei kann ich das Kooperationssignal einsetzen?
Ich hatte es in anderen Beiträgen bereits erwähnt: Mira ist kein großer Fan vom Bürsten. Ich habe einige Alltagshelfer für den Fellwechsel bzw. die Fellpflege im Allgemeinen. Hierdurch kann ich Ihr die Fellpflege so angenehm wie möglich machen. Dennoch ist sie grundsätzlich kein großer Fan vom Gebürstet werden, Krallen schneiden oder schleifen lassen, Zahnpflege und was noch so zur alltäglichen Routine hinzu gehört. In all diesen Bereichen kannst Du das Kooperationssignal einsetzen, wenn Du es gut trainiert hast.
Aber natürlich geht es auch über die Pflege hinaus: Ob Augentropfen aufgrund einer Erkrankung, Ohren reinigen oder aber auch bei Besuchen beim Tierarzt, bei der Physiotherapie, im Frisörsalon und und und: Das Kooperationssignal wird Euch helfen, all diese Herausforderungen entspannter zu meistern. Natürlich hat nicht jeder Hund ein Problem mit diesen Dingen – aber wenn Du selbst einen Hund hast, der besonders ängstlich oder stressig ist, weißt Du genau, wie hilfreich eine solche Trainingsmethode sein kann.
Sofern Dein Hund vom Typ her eher misstrauisch ist, wird er hierdurch auch in seinem Vertrauen zu Dir bestärkt. Denn er lernt, dass er sich auf Dich verlassen kann: Wenn er das Kooperationssignal auflöst, hörst Du sofort auf. Und das verstehen Hunde sehr schnell :-)
Fazit: Medical Training ist eine sinnvolle Beschäftigung und sehr hilfreich
Natürlich bietet das Medical Training neben dem Kooperationssignal noch sehr viele weitere Möglichkeiten. Aus meiner Sicht ist es das sinnvollste Training was es gibt (neben einem sicheren Rückruf). Es hilft nicht nur, die Beziehung und somit auch die Bindung zwischen Deinem Vierbeiner und Dir zu stärken. Sondern sorgt für mehr Vertrauen und Entspannung.
Dein Hund lernt, dass er selbst über seinen Körper entscheiden darf und er in Ruhe gelassen wird, wenn ihm etwas zu viel ist. Bei positiver Bestärkung beim Nutzen des Kinntargets sowie dem sofortigen Ende aller Handlungen am Hand sobald er den Kopf davon anhebt, wird er bald immer länger Kooperation signalisieren. Denn es lohnt sich für ihn und er weiß, dass es aufhört, sobald er es Dir sagt.
Berichte mir doch gerne: Hast Du mit Deinem Hund ein Kooperationssignal aufgebaut? Oder kanntest Du es noch gar nicht und bist durch meinen Beitrag inspiriert? Dann freue ich mich sehr auf den Austausch mit Dir. Hinterlasse doch gerne unter diesem Beitrag ein Kommentar.
Bildnachweise: Depositphotos.com Veterinarian listens to a dog heartbeat. doctor applies a stethoscope to a pet @ fukume, Cutting dog nail @ Quasarphoto, Funny shelter dog showing his tongue, looking to the camera during medical examination at veterinary clinic @ zeroteam13@gmail.com und Cropped image of veterinarian in latex gloves examining dog paw @ IgorVetushko